Am 4. Oktober erschien die Aktualisierung der AWMF-Leitlinie zur stationären Behandlung von COVID-19-Patient:innen. Neu sind unter anderem Empfehlungen für monoklonale Antikörper, JAK-Inhibitoren oder Bauchlagerung auch bei wachen Patient:innen.
16 Fachgesellschaften haben in enger Kooperation die Leitlinie überarbeitet, die Evidenzanalyse wurde wieder von CEOsys aufbereitet. Neben den neuen Empfehlungen kommt auch der besseren Evidenz gegen bestimmte Maßnahmen große Bedeutung zu.
Bereits bei wachen Patientinnen und Patienten, die eine hochdosierte Sauerstofftherapie über eine Nasensonde erhalten oder nicht-invasiv beatmet werden, sollte eine Bauchlagerung erfolgen“, so Stefan Kluge, Vorstandsmitglied der DGIIN und Koordinator der Leitlinie. Ärztinnen und Ärzte haben während der Pandemie immer wieder beobachtet, dass sich COVID-Patient:innen selber auf den Bauch lagern und sich dadurch die Sauerstoffversorgung bessert. Eine große prospektive, randomisierte Studie konnte zeigen, dass sich die Häufigkeit späterer Intubationen reduziert, wenn in dieser Krankheitsphase bereits eine Bauchlagerung durchgeführt wird. „Dies ist eine neue wichtige Erkenntnis, die helfen kann, eine Intubation und mechanische Beatmung zu vermeiden“, so Kluge.
„Es hat sich gezeigt, dass in der Frühphase der COVID-19-Erkrankung, in welcher der Körper noch keine Antikörper gebildet hat, sogenannte monoklonale Antikörper einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit haben. Diese monoklonalen Antikörper wirken neutralisierend auf das SARS-CoV-2-Virus“, erläutert Jakob Malin, Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der ebenfalls an der Aktualisierung der Leitlinie mitgearbeitet hat. Virusneutralisierende monoklonale Antikörper besitzen die Fähigkeit, durch Interaktion mit dem SARS-CoV-2-Spikeprotein den Viruseintritt in die Zelle zu verhindern. Die Leitlinie empfiehlt daher, bei hospitalisierten COVID-19-Erkrankten, die noch keine eigene Immunantwort auf die Infektion gezeigt und keinen oder maximal einen Low-Flow-Sauerstoff-Bedarf haben, eine Therapie mit der Kombination aus den SARS-CoV-2 spezifischen monoklonalen Antikörpern Casirivimab und Imdevimab umzusetzen.
Außerdem neu ist, dass die Leitlinie den Einsatz von Januskinase (JAK)-Inhibitoren empfiehlt. Der Einsatz dieses immunmodulatorischen Therapieansatzes findet erstmals Eingang in die Empfehlungen. JAK-Inhibitoren wirken entzündungshemmend. Studien zeigen einen Überlebensvorteil, wenn JAK-Inhibitoren bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten ohne Sauerstoffbedarf oder mit maximal einer Low-Flow-Sauerstoff-Behandlung eingesetzt werden.
Bei schwer an COVID-19-Erkrankten kann es zur Bildung von Thrombosen kommen, die wiederum ein Lungenversagen oder eine Lungenembolie auslösen können. Deshalb erhalten stationär behandelte COVID-19-Patientinnen und -Patienten eine standardmäßige Therapie zur Thromboseprophylaxe. „Es war immer in der Diskussion, ob eine standardmäßige Thromboseprophylaxe mit Heparin ausreichend ist, um Thrombosen zu vermeiden. Deshalb haben wir in der Überarbeitung der Leitlinie auch die Empfehlungen zur Thrombosebehandlung aktualisiert“, so Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN. Die neuen Empfehlungen beinhalten nun, dass in der Frühphase bei hospitalisierten, nichtintensivpflichtigen COVID-19-Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für eine Thrombose eine therapeutische Antikoagulation erwogen werden kann, sofern sie ein niedriges Blutungsrisiko haben. Bei Intensivpatienten hingegen sollte eine therapeutische Antikoagulation bei fehlendem Nachweis von Thrombosen oder Embolien nicht erfolgen, da hier das Risiko schwerer Blutungskomplikationen deutlich ansteigt.
„Die Aktualisierung der Leitlinie zur Behandlung von stationären COVID-19-Erkrankten liefert viele neue Erkenntnisse für den medizinischen Behandlungsalltag“, so Nicole Skoetz vom Forschungskonsortium COVID-19 Evidenz-Ökosystem (CEOsys), welches die Leitlinienaktualisierung begleitet hat. Das CEOsys Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) gefördert. „Die Leitlinie ist auch ein Beispiel des systematischen Austausches zwischen den verschiedenen Disziplinen der medizinischen Wissenschaft, um Patient:innen bestmöglich zu versorgen, ein gemeinsames Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung zu erreichen und zu einer systematischen Evidenzaufarbeitung zu gelangen“, so Skoetz. Im Fokus stehe dabei die sei Patientensicherheit verbunden mit dem Ziel, zusätzlichen Schaden durch Therapien zu vermeiden. „Durch die konsequente kritische Analyse einer Vielzahl von medikamentösen Therapieansätzen zur Behandlung von COVID-19 (Colchicin, Ivermectin, Rekonvaleszenten-Plasma etc.) können wir nun auch einen Katalog an Negativ-Empfehlungen, also Empfehlungen gegen bestimmte Therapien, herausgeben“, fasst Kluge die Ergebnisse der Leitlinien-Aktualisierung zusammen.